Das Arbeiten an dem Buch „Dein inneres Kind muss Heimat finden“ hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Stefanie Stahl, die Autorin, beschreibt darin, wie sich in der Kindheit erfahrene Kränkungen einprägen und unbewusst unser gesamtes Beziehungsleben bestimmen. Ich bin erst bei der Hälfte und musste in den letzten Schritten mein Schattenkind aufzeichnen: Verletzungen, die ich erfahren habe. Sätze, die ich geglaubt habe. Rollen, die ich eingenommen habe. Dieser Prozess ist schmerzhaft, man stellt dabei eigene Motive in Frage. Ursachen, für Konflikte zwischen Partnern, aber auch Freundschaften.
Ich habe in den letzten paar Tagen viel nachgedacht, viele von meinen Beziehungen hinterfragt, mich in den Schlaf geweint: vor Trauer, vor Wut. Über mich, über meine Erwartungen, aber auch über meine Vorstellungen von der Art, wie ich Beziehung leben möchte. Liegt es vielleicht auch daran, dass ich, ein paar Monate vor meinem 40. Geburtstag, Dinge/Verhalten/Menschen, die mir schaden, mir weh tun, aus meinem Leben verbannen möchte?
Meine Mutter erkrankte an ALS, als ich gerade einmal 5 Jahre alt war. Als ich 7 war, begann mein Vater fremdzugehen. Ich kann das Gefühl des Alleingelassen-sein noch genau fühlen, als wäre es gestern gewesen. Das Gefühl, die Last der Trauer und der Verantwortung einer kranken Mutter gegenüber, tragen zu müssen. Und wie ich einmal in meiner Instagram-Story (in den Highlights unter „Deine Story“ gespeichert) sagte: „Da wo dein größter Schmerz ist, da liegt dein größtes Potenzial. Dort wo du leiden/tragen/aushalten/kämpfen musstest, liegt deine größte Empathie.“ Und ich kann euch sagen, ich habe gelitten, eine unbeschwerte Kindheit eingebüßt. Ich habe getragen, im wahrsten Sinne meine Mutter, die aufs Klo musste und im übertragenen Sinn, die Last einer Mutter, die sich nichts mehr wünscht, als ihrer Tochter nicht zur Last zu fallen und es aber doch tun muss. Ich habe ausgehalten, dass mein Vater log, eine Affäre mit der russischen Schauspielerin anfing, die meine Mutter als Managerin betreute, parallel schon eine Wohnung mit ihr hatte, sie nachts betrunken an unserer Haustüre sturmklingelte und zu meinem Vater wollte, wenn er nicht bei ihr schlief, er sie dann reinließ, meine Mutter aus dem Bett schrie sie solle verschwinden, aber aufgrund ihrer Lähmungen nicht aufstehen konnte und stattdessen weinte, ich unter meiner Bettdecke schrie. Ich musste kämpfen, als ich mit 15 alleine in einer Stadt wohnte, weit weg von einer Familie, ohne Mutter, ohne Vater, als meine Mama mit 18 starb, ich magersüchtig und drogenabhängig wurde, eine Fehlgeburt hatte, von meinem Partner mit meiner besten Freundin betrogen wurde. Oh ja, ich musste kämpfen.
Solange ich zurückdenken kann, trug ich die Lasten. Trug ich die Verantwortung. Von klein an, war mir alles zu viel, wollte ich weglaufen und hatte doch genug Verantwortung da zu bleiben, um für Menschen, ihre Lasten und ihr Versagen tragen zu können. Von klein auf, musste ich stark sein. Für Andere. Schon lange vor diesem Buch ist mir bereits aufgefallen, wie sich dieses Verhalten auch durch meine Freundschaften zieht. Ich weiß, um meine unglaubliche Empathie für andere Menschen, meinen Wunsch anderen in schweren Lebenslagen zu helfen und ich weiß auch sehr wohl, dass mich das als Freundin zu einer „guten Partie“ macht. Doch mehr und mehr, wird mir auf so unglaublich schmerzhafte Weise bewusst, dass ich eine „Lebensabschnitts-Freundin“ bin. Und da dann, die Beste, die man sich wünschen kann: die Stundenlang zuhört, Tränen trocknet, versorgt, Liebe schenkt, zu jeder Zeit da ist. So viele meiner „Freundschaften“ waren nur eine intensive Phase des Aufpäppelns, bis alles wieder in geraden Bahnen verlief, man mich nicht mehr brauchte und ich ausgelutscht zurückgelassen wurde. Und ja, ich bin „selber schuld“, ich „ziehe es an“, weil es meine Berufung ist, meine größte Stärke, mein größtes Potenzial.. Aber durch dieses Buch ist mir eines klar geworden: auch ICH muss gefragt werden, wie es mir geht. Auch MEINE Last darf getragen werden, auch MEIN Kummer muss gehört werden.
Ich habe Euch gestern in meiner Story gefragt, was für Euch, echte Freundschaft ausmacht. Weil es mich beschäftigt und ich mich schmerzhaft frage, an was ich festgehalten habe. Was ich idealisiert habe. Ich sage euch nun, was (eine gesunde und nicht einseitige) Freundschaft für MICH ausmacht:
~ Sich lieben (der wichtigste Punkt, der eigentlich alle Kommenden selbstverständlich erscheinen lässt)
~ Sich nach dem Anderen und seiner Anwesenheit sehnen
~ Seine Prioritäten danach auslegen, sich so oft es geht zu sehen
~ Den Anderen vermissen
~ Einander zu fragen, wie es dem Anderen geht
~ Sich in den Anderen einfühlen (Dinge fühlen und Sehen ohne, dass sie ausgesprochen werden)
~ Aufmerksamkeit
~ Loyalität (konstant, standhaft und verlässlich sein)
~ Dankbarkeit leben
Das macht für mich wahre Freundschaft aus. Du findest diese Auflistung zu krass/zu Anspruchsvoll? Kein Problem! Dann matchen wir einfach nicht! Ich werde hier keine Abstriche mehr machen. So handhabe ich es seit Jahren in meinem Business und so handhabe ich es ab jetzt auch in meinem Privatleben. (Viel zu spät eigentlich!)
Und versteht mich nicht falsch. Ich mache mein Glück nicht von anderen Menschen abhängig. Ich habe einen Gott, der mich unendlich liebt, einen Mann, der am liebsten jede Minute mit mir verbringen würde und Kinder, die mich schätzen und lieben. Ich kann ebenfalls total gut alleine sein, ich liebe es sogar. Und ich glaube sogar daran (und jetzt bitte missversteht mich nicht) dass Menschen, die Leader sind, auch Phasenweise alleine sein MÜSSEN: Um den Überblick zu bekommen, um sich auszurichten. Wie ein Adler.
Was ich einfach sagen will ist, warum sollten Menschen wie ich, die ihr Leben lieben, Beziehung LEBEN (und nicht nur davon reden) etwas von Menschen (Alman Achims/Anetten) erwarten, die sich nur aufs Wocheneden freuen? Warum sollte ich Liebe, Zeit, Energie in Menschen investieren, die nur ihre Probleme/ihre Einschränkungen/ihre fehlende Zeit sehen? Für mich steht nun fest: ich lasse los, ich investiere nur noch in Menschen, die diese Investition wahrnehmen. Ich bin zu erwachsen, zu klar, um mich nach Menschen auszustrecken, dich sich nicht nach mir ausstrecken. Ich werde nicht mehr der Packesel für allerlei Probleme sein, für Menschen, die nicht bereit sind die Last zu tragen und die Strecke gemeinsam zu gehen. Ich gehe, wenn es sein muss allein. Doch ich schätze mich wert. Meine Kraft. Mein Herz. Mich als Mensch.